Menschenströme bei Groß-Events: Wie der Zugverkehr das meistert
Ob Sport-Event, Konzert oder Weihnachtsmarkt – manchmal wollen kurzzeitig deutlich mehr Fahrgäste mit dem Zug fahren als gewöhnlich. Das bedeutet: mehr Waggons, zusätzliches Personal, häufigere Fahrten – und viel Organisation. Wie die Verantwortlichen diese Stoßzeiten im Zugverkehr im Griff behalten? Jetzt lesen.

Der große Run: Hundertausende Fußballfans aus ganz Europa waren im Sommer 2024 während der Fußball-Europameisterschaft in Stuttgart unterwegs. Viele davon reisten nicht mit dem Auto an, sondern klimaschonend und entspannt mit Bus und Bahn. Und trotz der hohen Besucherzahlen funktionierten die öffentlichen Verkehrsmittel reibungslos.
„Das Stadion, die Fan Zones und die Public Viewing-Plätze sind alle gut und stressfrei mit dem ÖPNV zu erreichen“, erklärt Verkehrsminister Winfried Hermann. „Das Land hat für die EM den Regionalverkehr auf der Schiene verstärkt: In dieser Zeit fuhren mehr bwegt-Züge mit mehr Sitzplatzkapazitäten.“
Aber wie funktioniert das? Wie genau werden die Kapazitäten für eine solche Großveranstaltung geplant? Wer entscheidet, ob und wie viele zusätzliche Züge auf die Strecke kommen? Und wer erstellt die Fahrpläne?

Mehr Fahrgäste als normal? So entsteht ein neuer Fahrplan
Erste Frage: Wie viele Fahrgäste wird es geben? „Organisator:innen informieren uns über ihre Veranstaltungen und die erwarteten Besuchszahlen“, erklärt Heiko Focken. Der Verkehrsplaner arbeitet bei der Nahverkehrsgesellschaft Baden-Württemberg (NVBW). Und was tut die? Diese Servicegesellschaft des Verkehrsministeriums Baden-Württemberg plant und koordiniert den Schienenpersonennahverkehr. Hier ist Heiko Focken zuständig für die strategische Mittelfrist- und Jahresplanung.
Zweite Frage: Reicht der reguläre Verkehr für die erwarteten Fahrgastzahlen aus? Das schätzt die NVBW ab. Wenn zusätzliche Kapazitäten gebraucht werden, beauftragt sie das zuständige Verkehrsunternehmen – beispielsweise die Deutsche Bahn oder die SWEG Bahn Stuttgart – damit, neue Fahrpläne zu erstellen.
„Wir machen dabei Vorgaben wie Abfahrt- und Ankunftszeiten, die Länge des Streckenverlaufs und die Zwischenhalte“, erklärt Heiko Focken. „Und die Verkehrsunternehmen planen dann gemeinsam mit dem jeweiligen Infrastrukturunternehmen die Einzelheiten.“
Damit solche Zusatzverkehre reibungslos organisiert werden können, hat die NVBW mit einzelnen Eisenbahnverkehrsunternehmen extra Vereinbarungen getroffen: So gibt es beispielsweise mit der Schienenverkehrsgesellschaft (SVG) einen Verkehrsvertrag. Der sichert ab, dass Sonderzüge mit bis zu 600 Plätzen eingesetzt werden können.

Komplexe Logistik für Zusatzverkehr: Planung bis ins Detail
Bei der Planung müssen viele Details beachtet werden:
- Wie viel Personal wird benötigt?
- Sind die Bahnsteige lang genug für die Züge?
- Gibt es genug Ausweich- und Abstellgleise entlang der Strecke?
- Bei Strecken ohne Oberleitung: Kann man Elektrozüge einsetzen oder braucht es für die Strecke eine Diesellok?
Neben den Verkehrs- und Infrastrukturunternehmen sind oft noch andere Partner involviert, wie z.B. die Landes- und Bundespolizei, die Feuerwehr oder städtische Tiefbauämter.
„Sobald das Verkehrsunternehmen den Fahrplan erstellt hat, überprüft die NVBW noch einmal die Vorgaben“, fasst Heiko Focken zusammen. Und dann erfährt auch die Öffentlichkeit von den zusätzlichen Kapazitäten – entweder von den Veranstalter:innen oder direkt von bwegt, zudem bei der Online-Auskunft von bahn.de und den regionalen Verkehrsunternehmen.
300.000 Extra-Kilometer für Fußball-Europameisterschaft
Ein tolles Erfolgsbeispiel war die Fußball-Europameisterschaft 2024 in Stuttgart: Die NVBW und die Stuttgarter Straßenbahnen AG (SSB) haben es gemeinsam geschafft, zu den fünf Spielen in der Arena 366 Sonderzüge einzusetzen – das bedeutete ganze 186.240 zusätzliche Sitzplätze. Außerdem schickte die SSB an Spieltagen „on top“ die Stadtbahn U11 in den Einsatz, um die Stadionbesucher:innen sicher und zuverlässig zu den Partien und wieder zurück zu transportieren.
Die Bilanz: In den Wochen des Turniers fuhren die Züge und Busse der SSB rund 300.000 Extra-Kilometer.

Jetzt informieren: Zusatzverkehr auch für Weihnachtsmärkte
Die Fußball-Europameisterschaft war nicht die einzige Großveranstaltung im Jahr 2024 – das zeigt ein Blick in den Veranstaltungskalender von bwegt. Neben vielen Sportveranstaltungen gab es zusätzliche Regionalzüge und Busse z.B. auch für
- das Seehasenfest am Bodensee
- die Landesgartenschau in Wangen
- zum Maulbronner Klosterfest
Außerdem: Damit Fahrgäste die zahlreichen Weihnachtsmärkte in Baden-Württemberg besuchen können, werden auch hier mehr Züge eingesetzt – unter anderem sogar historische Fahrzeuge:
Ein Schienenbus aus den 1950er-Jahren bringt seine Fahrgäste ohne Stau und Parkplatzsuche z.B. zu den Weihnachtsmärkten Tübingen, Konstanz oder Schaffhausen. Und mit einem historischen Schnelltriebzug geht es am zweiten und dritten Adventssamstag von Stuttgart über Ulm zur Lindauer Hafenweihnacht sowie zu Weihnachtsmärkten entlang des Bodensees.
Die Planungen für Zusatzzüge zu besonderen Anlässen laufen bei der NVBW fortlaufend. Neben Entlastungsfahrten zu Fußballspielen zählen auch Veranstaltungen wie die alemannische Fastnacht entlang des Hochrheins dazu. Jedes Jahr reisen Tausende Narren, Närrinnen und Besucher:innen zu den traditionellen Umzügen in die Fasnets-Hochburgen im Südwesten.
Geplante Zusatzfahrten 2025
Markgräfler Gutedel-Tag
- 29. Mai: Mehr Züge auf der Münstertalbahn zum „Markgräfler Gutedel-Tag“ (SWEG)
175 Jahre Geislinger Steige
- 28 und 29. Juni: Schienenbus ab Göppingen anlässlich „175 Jahre Geislinger Steige“
- 28. Juni: Zusätzlicher Freizeitexpress „Ostalb“ zwischen Amstetten und Gerstetten anlässlich „175 Jahre Geislinger Steige“ (NE81 der SAB)
Fußball-Europameisterschaft der Frauen
- 02. bis 29. Juli: Mehr Züge zur Fußball-EM der Frauen von Basel Richtung Freiburg, Lörrach und Hochrhein (SBB und DB)
Herz-Blut-Fest
- 11. Juli: Zug zum Herz-Blut-Fest zwischen Wangen und Bad Wurzach (SVG)
Seehasenfest Friedrichshafen
- 17. bis 21. Juli: Seehasenfest Friedrichshafen mit Zusatzangebot auf der Schiene in alle Richtungen
Bächtlefest Bad Saulgau
- 17. bis 21. Juli: Bächtlefest Bad Saulgau mit Zusatzzüge nach Aulendorf und Sigmaringen
Schützenfest Biberach
- 18. bis 27. Juli: Schützenfest Biberach mit Zusatzfahrt um 0:45 Uhr ab Biberach nach Ulm am Wochenende
Schwörmontag Ulm
- 21. Juli: Schwörmontag in Ulm mit Zusatzangeboten in alle Richtungen
Überlinger Promenadenfest und Uhldinger Hafenfest
- 26. und 27. Juli: Zusätzliche Züge zwischen Radolfzell und Friedrichshafen
Uferfest Langenargen
- 01. bis 04. August: Uferfest Langenargen mit Zusatzzüge am Abend
Altstadt- und Seenachtsfest Bad Waldsee
- 02. bis 03. August: Altstadt- und Seenachtsfest Bad Waldsee mit Zusatzzüge am Abend
Stadtfest Bad Wurzach
- 30. August: Großes Stadtfest Bad Wurzach, Zusatzzüge auf der Moorbahn zwischen 12 und 17 Uhr
Spatenstich Bahnhof Oteringen
- 20. September: Fest-Züge zum Spatenstich am Bahnhof Ofteringen im Wutachtal
Weihnachtsmarkt Freilichtmuseum Vogtsbauernhof
- 11. und 12. Dezember: Abendfahrten in der Ortenau zum Weihnachtsmarkt im Freilichtmuseum
Weihnachtsmarkt Tübingen
- 12. und 13. Dezember: Schienenbus auf der Ammertalbahn zum Tübinger Weihnachtsmarkt
Weitere Fahrtzeiten und Haltestellen finden Sie in der Fahrplanauskunft.
Magazin-Artikel veröffentlicht am 20.11.2024





