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Klimaschutz bwegt: Das ABC der nachhaltigen Mobilität – Teil 1.

Was ist bitte ein Bedarfsverkehr? Und was hat Gerechtigkeit mit der Verkehrswende zu tun? Unsere dreiteilige Serie zum ABC der nachhaltigen Mobilität gibt Antworten. Wir erklären die wichtigsten Begriffe: Los geht’s mit A wie Angebot bis H wie Historie.

Eine Bildcollage zeigt verschiedene Formen der Mobilität (v.l.n.r.): einen Regiobus, einen Regionalzug, einen E-Scooter, eine Frau mit Fahrrad am Bahnhof sowie eine zu Fuß gehende Person.

A wie Angebotsausbau

Damit (noch) mehr Menschen Bus und Bahn nutzen, muss das Angebot stimmen – nachhaltige Mobilität muss attraktiv und zuverlässig, bezahlbar und klimafreundlich sein. Das Angebot ist ein zentraler Baustein der Mobilitätswende. Hierfür braucht es zuverlässige Fahrpläne, einfache Tarifsysteme, attraktive Tickets sowie einen Ausbau der Schiene mit neuen Strecken und Linien, mehr Zügen sowie dichteren Takten. Zudem muss Mobilität auch mit der Zeit gehen und neu gedacht werden. Angebote wie Leihräder, Carsharing oder Ruftaxis können den klassischen öffentlichen Personennahverkehr (ÖPNV) gut ergänzen – erst recht, wenn diese Dienste miteinander vernetzt übers Smartphone buch- und abrufbar sind. Andere Innovationen gehen noch weiter: Das Projekt RABus – dem Reallabor für den Automatisierten Busbetrieb im ÖPNV in der Stadt und auf dem Land – erprobt beispielsweise den Einsatz selbstfahrender Elektrobusse im Stadtverkehr von Friedrichshafen und Mannheim.

B wie Bedarfsverkehre

Ein Fahrzeug des On-Demand-Angebots KVV:MyShuttle.

On-Demand-Angebote wie das KVV.MyShuttle des Karlsruher Verkehrsverbund sind eine flexible und kosteneffektive ÖPNV-Ergänzung. Bildquelle: KVV / Paul Gärtner

ÖPNV auf Bestellung: Bedarfsverkehre fahren auf Anfrage (On Demand) und haben häufig keinen festen Fahrplan. Die Buchung erfolgt je nach Angebot telefonisch oder übers Internet beziehungsweise per App. Die Fahrtenwünsche werden dann gebündelt und ein Kleinbus, Minivans oder Auto sammelt die Fahrgäste an Haltestellen oder virtuellen Haltepunkten ein. Es gibt schon heute viele On-Demand-Angebote, die den ÖPNV ergänzen und es werden stetig mehr: Zum Beispiel fips in der Region Rhein-Neckar oder das KVV.MyShuttle rund um Karlsruhe. Viele Städte, Landkreise und Gemeinden ergänzen das Fahrplanangebot auch mit Ruftaxis oder Rufbussen. Viele von ihnen haben einen festen Fahrplan. Darüber hinaus gibt es auch ehrenamtlich geführte Fahrdienste, wie beispielsweise Bürgerrufautos. Gerade in ländlichen Regionen und zu Zeiten schwacher Verkehrsnachfrage, zum Beispiel am Abend, können On-Demand-Verkehre das Fahrplanangebot flexibel unterstützen, nämlich genau dann, wenn es die Fahrgäste benötigen.

C wie Clean Vehicles Directive

Die Clean Vehicles Directive, kurz CVD, ist eine EU-Richtlinie, die dafür sorgen soll, dass Kommunen und Städte ihre Fahrzeugflotten – also auch ihre Stadt- und Linienbusse – nach und nach auf saubere und energieeffizientere Antriebe umstellen. Warum? Um die Luftqualität in Städten zu verbessern, den Lärm zu verringern und die Treibhausgase zu senken, und zwar zum Schutz von Gesundheit, Umwelt und Klima. Hierfür gibt die CVD-Richtlinie öffentlichen Auftraggebern wie Städten, Kreisen und Gemeinden verbindliche Quoten zur Beschaffung und zum Einsatz emissionsarmer und -freier Fahrzeuge vor. Beim Kauf neuer Linienbusse müssen seit August 2021 mindestens 45 Prozent der Busse „sauber“ sein (ab 2025 dann 65 Prozent) und mindestens die Hälfte davon emissionsfrei. Was ist der Unterschied? Emissionsfreie Fahrzeuge wie zum Beispiel Elektrobusse mit Batterie und Wasserstoffbusse mit Brennstoffzelle stoßen während der Fahrt keine schädlichen Abgase aus. „Sauber“ bezieht sich hingegen zum Beispiel auf sogenannte Plug-in-Hybrid-Fahrzeuge, die sowohl über einen elektrischen Batterieantrieb als auch einen Verbrennungsmotor verfügen, oder den Einsatz von Biokraftstoff.

D wie Digitalisierung der Schiene

Zwischen zwei Gleisen ist eine Eurobalise – ein kleiner trapezförmiger Kasten – installiert.
Deutsche Bahn AG / Max Lautenschläger

Unscheinbare Technik zwischen den Gleisen: Sogenannte Eurobalisen sind Kommunikationsgeräte, die für das Europäische Zugbeeinflussungssystem (ETCS) entlang einer Bahnstrecke installiert werden. Mit diesem Transponder kann die Schiene dem Zug z. B. die Stellung eines Signals mitteilen. Bildquelle: Deutsche Bahn AG / Max Lautenschläger

Schon gewusst? Mitten in Baden-Württemberg entsteht der erste digital gesteuerte Bahnknoten Deutschlands: der „Digitale Knoten Stuttgart“ (DKS), das Pilotprojekt für die „Digitale Schiene Deutschland“ (DSD). Dabei werden stufenweise alle Fahrzeuge und Schienenwege mit modernster europäischen Leit- und Sicherungstechnik (European Train Control System, ETCS) ausgestattet. Mit dieser neuen Technik können Züge funkgeführt viel präziser und vor allem dichter aufeinander folgen. Einerseits lassen sich so Verspätungen leichter aufholen. Anderseits erlaubt eine dichtere Zugfolge auch mehr Fahrten: Im neuen Stuttgarter Hauptbahnhof wird künftig auf jedem der acht Bahnsteiggleise alle fünf Minuten ein Zug fahren können. Und auf jedem der acht anschließenden Gleise wird eine mittlere Zugfolge von zwei Minuten möglich sein. In Summe: viel mehr Züge und viel mehr Reisende. Und neben den Fahrgästen profitiert zudem noch die Umwelt: In weniger stark ausgelasteten Phasen, also wenn auf der Strecke weniger los ist, können die Züge hochautomatisiert und somit besonders energiesparend geführt werden.
 

E wie Elektromobilität

Sie ist zurzeit das zentrale Thema der nachhaltigen Alltagsmobilität: Elektromobilität ermöglicht einen abgasfreien Fahrbetrieb und ist in Sachen Energieeffizienz nicht zu überbieten. Was aber auf der Straße noch als Neuheit gilt, ist auf der Schiene Standard: Rund 3.100 von knapp 4.400 Schienenkilometern in Baden-Württemberg sind bereits elektrifiziert; das entspricht rund 71 Prozent des Streckennetzes (Stand 2023). Dabei werden über 80 Prozent aller gefahrenen Zugkilometer elektrisch zurückgelegt – Tendenz steigend. Zum Vergleich: Der Pkw-Anteil mit Elektromotor lag 2023 in Deutschland bei nur knapp vier Prozent. Für die Klimabilanz ist aber auch wichtig, dass die Elektrizität aus nachhaltigen Energiequellen wie Wind, Sonne und Wasserkraft gewonnen wird. Deswegen fahren mittlerweile alle elektrisch betriebenen Regionalzüge in Baden-Württemberg zu 100 Prozent mit Ökostrom.

F wie Flächeneffizienz

Die Grafik vergleicht den Flächenverbrauch verschiedener Verkehrsmittel in Quadratmetern pro beförderter Person im Stadtverkehr. Motorisierter Individualverkehr 100 m2; Bus 20 m2; Fahrrad 10 m2; Straßenbahn 8 m2; Eisenbahn 7 m2; Fußgänger 2 m2. Quelle: Allianz pro Schiene.

Wem gehört der öffentliche Raum? Die Frage stellt sich immer häufiger, denn frei verfügbare Flächen sind Mangelware. Sie müssen effizient genutzt und gerecht verteilt werden. Auch zwischen einzelnen Verkehrsarten: Allein in Deutschland leben rund 84 Millionen Menschen, und mit über 48 Millionen Pkw gibt es so viele Autos wie noch nie in privater Hand. Und die brauchen richtig viel Platz: Ein einziger Parkplatz nimmt 11,5 Quadratmeter ein – etwa die Größe eines Kinderzimmers – und das fast den ganzen Tag. Denn im Schnitt steht der Privatwagen mehr als 23 Stunden am Tag still. Und wird das Auto benutzt, sitzen statistisch gesehen gerade mal 1,5 Personen darin. Hinzu kommt der Trend, dass Autos immer größer werden. Der ÖPNV braucht zwar auch einiges an Fläche, kann aber dafür viel mehr Menschen gleichzeitig transportieren und ist daher vergleichsweise effizient, selbst wenn nur jeder fünfte Sitzplatz besetzt ist. Und wenn Busse und Bahnen zu 80 Prozent oder mehr ausgelastet sind, ist der ÖPNV sogar das flächeneffizienteste Verkehrsmittel. Ein einziger Linienbus spart so locker mal 40 Autofahrten, eine Stadtbahn oder ein Zug je nach Ausstattung und Wagenanzahl ein Vielfaches mehr.

G wie Gerechtigkeit

Lebensqualität, Selbstbestimmung, Chancengleichheit: Eine nachhaltige Mobilität für alle schließt auch soziale Aspekte ein. Denn alle Menschen müssen mobil sein, damit sie am gesellschaftlichen Leben teilhaben können. Ob zur Arbeit, in die Schule, zum Einkaufen oder für einen Arztbesuch: Wir müssen von A nach B gelangen können, und das unabhängig von Alter, Geschlecht, körperlichen Einschränkungen oder Einkommen. Ein Beispiel: Nicht jede:r kann oder will sich ein Auto leisten, aber die Kosten für die Umwelt tragen wir alle. Und Menschen mit geringem Einkommen mitunter sogar mehr, da sie zum Beispiel gezwungen sind, an vielbefahrenen, lauten Straßen zu wohnen, während sie selbst verhältnismäßig wenig Abgase verursachen. Ein Ausbau des ÖPNV mit ergänzenden Mobilitätsangeboten wie On-Demand-Verkehren und autonomen Kleinbussen kann hier bereits für mehr soziale Gerechtigkeit sorgen.

H wie Historie

Ob Straßen- und Stadtbahn, InterRegio, Regional- oder Metropolexpress: Bahnfahren ist heute etwas Alltägliches. Das war nicht immer so: Alles begann mit der Erfindung der Dampflokomotive Anfang des 19. Jahrhunderts – dem Transportmittel der industriellen Revolution. Mit der Eisenbahn war es auf einmal möglich, auch auf dem Land große Distanzen zurückzulegen und dabei viele Menschen und Waren von A nach B zu bringen. Mit dem Schienenbau wuchs die Welt enger zusammen, Entfernungen wurden „kürzer“, der Handel florierte, die Wirtschaft boomte und es folgte ein noch nie dagewesener Fortschritt. Die erste Eisenbahnverbindung in Deutschland wurde 1835 eröffnet: eine sechs Kilometer lange Strecke von Nürnberg nach Fürth. Dann ging alles ganz schnell: Fünf Jahre später waren bereits rund 500 km Schienen verlegt, darunter auch eine Verbindung zwischen Heidelberg und Mannheim – die erste Bahnstrecke im heutigen Baden-Württemberg. Der Siegeszug der Schiene setzte sich weltweit fort, bis das Auto und der Straßenbau Mitte der 1950er Jahr in den Mittelpunkt rückten. Es folgte ein drastischer Rückbau in Deutschland: Fast 15.000 Kilometer Bahnstrecke wurden in den vergangenen 70 Jahren stillgelegt. Mittlerweile findet aber ein Umdenken statt: Angesichts des Klimaschutzes soll neben dem Neu- und Ausbau auch die Reaktivierung stillgelegter Bahnstrecken zur Verkehrswende beitragen.

Magazin-Artikel veröffentlicht am 19.01.2024

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