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Stadtrundgang

Waiblinger Neidköpfe

Ein Neidkopf-Rundgang durch die Waiblinger Altstadt.

In der Waiblinger Altstadt gibt es eine Besonderheit: von vielen alten Häusern schauen Neidköpfe auf einen herab, viele bedrohlich, manche freundlich. Ein Rundgang durch die Gassen führt entlang der eindruckvollsten Waiblinger Neidköpfe.

Viel Freude bei Ihrer Entdeckungstour durch Waiblingen wünscht Ihnen das Team der WTM - Wirtschaft, Tourismus und Marketing Waiblingen GmbH.

1831 verwendet Alexander Cosmar zum ersten Mal den Begriff "Neidkopf" in der volkskundlichen Literatur. Er sah einen Zusammenhang zwischen den steinernen Köpfen und Hausinschriften wie: "viele seynt die mich neiten aber wenig die mich kleiten" oder "und wehrn der Neiter noch so viel; so geschicht doch was Gott haben will". Das Wort "Neid" hatte in der alten Sprache zunächst die Bedeutung "Anstrengung", "Eifer" oder "Wetteifer" und wurde dann im Mittelalter zu dem von uns heute noch verwendeten Begriff für "jemandem etwas nicht gönnen" oder Mißgunst im Sinne von "Schaden wünschen".

Die Platzierung. Zum einem waren sie Hausmarken, welche dem Haus eine sichtbare Prägung gaben und Fremden als Erkennungszeichen dienten. Zum anderen zeigten die Neidköpfe einen bestimmten Wohlstand des Bauherren. Aber ihre eigentliche Aufgabe war der Schutz vor dem "bösen Blick", ein Schadenszauber, der ohne alle leibliche Berührung - einzig durch den bloßen Blick - stillenden Frauen die Milch entziehen oder Säuglinge schwindsüchtig machen konnte. Um diesen Blick abzuwehren verwendete man eine Gebärde, die seit Jahrtausenden in allen Kulturen bekannt ist: die gebleckte Zunge.

Der Ursprung. Es waren Kopien antiker Vorlagen, die – in der Renaissance aus Italien kommend – an Herrschaftshäusern angebracht wurden. Eines, das Gorgoneion, der Kopf der Medusa, galt bereits in der Antike als Übel abwehrendes Zeichen. Der Sage nach schlägt Perseus den Medusenkopf ab und übergibt ihn Athena, die in als sichtbaren Brustschutz verwendet. Eine noch ältere Vorlage findet sich in dem ägyptischen Hilfsgott Bes. Dessen Aufgabe war der Schutz schwangerer Frauen vor Hexen und Dämonen. Den Menschen der Renaissance war diese Bedeutung bekannt, dass belegt eine Holzschnittarbeit von Tobias Stimmen aus dem Jahre 1577. Die Druckplatte hat den Titel "Gorgoneum Caput" und zeigt eine Gorgone, die aus religiösen Symbolen der katholischen Kirche gestaltet ist. Die wirtschaftlichen und klimatischen Veränderungen (sog. kleine Eiszeit) von 1470 bis 1750 führten zu einem Erstarken des Hexenglaubens in Nordeuropa, die Masken wurden nun ob ihrer abwehrenden Funktion geschätzt. Der Wunsch, sich vor Hexen zu schützen, war durchaus gängig: so sollten die "Verwandten" der Neidköpfe, die Kleiekotzer, die Teufel, Soldat, Türke oder Mohr darstellten, den bösen Hexen und Geistern Angst einjagen, um die Verseuchung des Mehls durch den Getreidepilz Mutterkorn zu verhindern.

Die verschiedenen Neidköpfe:

Gorgonenköpfe sind schlangenhaarige Köpfe mit übergroßen, fixierenden Augen. Die herausgestreckte Zunge ist deutlich erkennbar.

Löwenköpfe werden oft in Verbindung mit einem "Beißring" dargestellt. Sie sind seit Jahrtausenden ein zeichen der Stärke und Sinnbild der Macht. In der Gotik waren sie Ausdruck des "zornmütigen Seelenteils". Als Evangelistensymbol steht der Löwe für Markus.

Wilde Männer und Soldaten mit langhaarigen, bärtigen Gesichtern und drohendem Blick. Man vermutet die Darstellung von Janitscharen, einer türkischen Elitetruppe, die keine Vollbärte tragen durften. Mischgesichter haben grimmige, wilde Köpfe und zähnefletschende Gesichtszüge, manchmal auch löwenartige Köpfe. Oft wird ein Gorgonenmotiv mit einem Tiergesicht verbunden, um Abwehr und Drohbedeutung zu kombinieren.

Schöne Gesichter sind "normal schöne", männliche und weibliche Menschenköpfe mit der Haarmode ihrer Zeit, verbunden mit Personennamen und gottesbezogenen Schutzsprüchen. Sie wurden ab 1700 verwendet und dienen der Darstellung des Erbauers und Besitzers des Hauses.

Autorentipp

Panoramablick von der Empore des mittelalterlichen Hochwachtturms.

Wie ein Wahrzeichen erhebt sich der Hochwachtturm über Waiblingen. Berühmt wurde der Turm als Schauplatz des historischen Romans "Die Kronenwächter" von Achim von Arnim.

Es lohnt sich, den Turm zu erklimmen: von oben eröffnet sich ein beeindruckender Ausblick auf die ganze Stadt.

Zu den Öffnungszeiten der Touristinformation können Sie den Schlüssel zum Hochwachtturm gegen Pfand erhalten.

Wegbeschreibung

Der Rundgang beginnt in der Zwerchgasse 6. Dort stellt ein untypischer Neidkopf - in Waiblingen als Nöck bekannt - mit Menschenkopf und -rumpf sowie, hochgezogenem Fischschwanz, ein mystisches Wesen dar. Der Zwerchgasse nach laufend, kommen Sie zur Kurze Straße 28. Hier sehen Sie einen klassischen Neidkopf (1686 - 1708). Die Augen des Gorgonenkopfes blicken drohend und leidenschaftlich und dienen als Abwehrzauber. Die stilisierten Schlangenhaare und das aufgerissene, zähne- und zungezeigende Maul unterstreichen die Wirkung. An der Kurze Straße 40, sehen Sie den Löwenkopf (um 1682), der besonders drohend wirkt. Die Lefzen mit Eckzähnen und Mähnenhaar unterstützen den Schreckeffekt dieses besonders qualitätsvollen Skulpturensteins. Auf der Kurze Straße weiter laufend, erreichen Sie die Lange Straße und biegen in diese nach rechts ab. Sie folgen ihr bis zur Schmidener Straße 2. Auf der rechten Kragecke der Pflanzenornamente sitzt ein Mischwesen (ca. 1587), einer der schönsten Schreckköpfe, ein löwenartiges Gesicht mit heraushängender Zunge und durchdringendem Blick. Zurück auf der Lange Straße laufen Sie am Eingang der Einkaufspassagen Marktgasse vorbei und auf das Haus Nr. 32 zu. Ein Mischgesicht (vor 1634) mit minimalsten Aufwand hergestellte Schreckkopf ist an der linken Eckkonsole zu finden. Seine Augen ziehen den Betrachter in seinen Bann. Ebenfalls am gleichen Haus gut versteckt unter der ersten Vorkragung, mit abwehrenden Blick auf den Marktplatz, findet sich der kleinste aller Waiblinger Neidköpfe. Sie folgen der Lange Straße bis zur Nr. 24. Der verwitterte, stilreine Löwenkopf (zw. 1640 und 1650 oder älter) lässt dennoch durch seine hervorstehenden Augen und die gebleckten Zähne eine großartige Wildheit erkennen. Nun laufen Sie die Lange Straße wieder ein wenig zurück bis zum Marktplatz 1. Hier sehen Sie einen klassischen Neidkopf (um 1690). Der stiere Blick, die heraushängende Zunge und der zähnefletschende Mund, beeindrucken den Betrachter noch heute. Zu sehen sind diese Merkmale oberhalb des Knospenkapitells am Erker. An der rechten Hausseite blickt ein grimmiger, furchteinflößender Schreckkopf (Mischgesicht) mit bohrenden Augen und zähnefletschendem Maul auf das Marktgeschehen. Der stechende Blick, die fliehende Stirn, die weit herunter gezogenen Mundwinkel und die scharfen Linien der Nase und des senkrechten Stirnwulstes, sowie der eingerollte Oberlippen- und Backenbart weisen auf ein kriegerisches Soldatengesicht hin. Sie laufen über den Marktplatz zu dem Haus hinter dem Marktbrunnen, über den sich die Waiblinger Justitia erhebt, zu. An der Kurze Straße 27 begrüßt ein Löwenkopf (vor 1701, frühestens 1690) grimmig, mit wildem Blick die Besucher die stadteinwärts streben. Seine beblähten Lefzen und sein dichtes Zahnwerk lassen den Betrachter erschaudern. Sie folgen nun der Kurze Straße hinab bis zur Nr. 18. Der gewaltige Bart deutet auf ein Janitscharenkriegergesicht hin. Diese türkischen Elitesoldaten durften wegen ihrer christlichen Herkunft keine Vollbärte tragen. Oberhalb der Giebelfenster findet sich ein klassischer, geschnitzter Neidkopf (unverfälscht alter Art, 1685) mit herausquellenden Augen. Aus dem geöffneten Mund streckt er seine spitze Zunge. Gegenüber an der Kurze Straße 17 blickt Ihnen eine zornige und brutale Fratze mit hochgezogener Stirn und Augenbrauen entgegen. Besonders üppig und kunstvoll sind die Haare dargestellt. Der geschwungene Schnurrbart ist ein typisches attribut des Janitschenkriegers. Die Maske des wilden Mannes glotzt mit starren Augen und aufgerissenem Mund nach unten. Die nach hinten wehenden Schläfen- und Nackenhaarsträhnen erzeugen eine Lebendigkeit - was fehlt ist der geschwungene Schnurrbart als typische Attribut des Kriegers. Sie laufen die Kurze Straße bis zum Ende und biegen links in die Lange Straße ein. An der linken Eckfront der Lange Straße 14 finden Sie die realitätsnahe Löwenmaske mit wildem, grimmigen Blick. Der Löwe trägt einen "Beißring" im Maul, der als Abwehrsymbol (magischer Ring) gilt. Die Maske (1688) stellt ein kinn- und oberlippenbart-, sowie schläfenlocken-umrahmtes Männergesicht dar, von der Art des "schönen Kopfes". Schönheit und Gepflegtheit konnten im Gegensatz zu Hass und Neid in dieses Haus eintreten. Auf dem s-förmig geschwungenen Konsolstein sitzt eine "schöne" Skulptur (1688). Es handelt sich um einen Frauenkopf mit ebenmäßigem Anlitz, geziert mit Halskrause, Stirnkette, Schläfen- und Stirnlocken. Sie biegen bei der nächsten Gelegenheit rechts in die Mittlere Sackgasse ein und laufen zur Nr. 6. Dieser aus einer Volute weit herauswachsende Maskenstein "Wilder Mann mit Fruchtwerk-Verzierung" (1634) ist allein schon wegen seiner Unterbringung an einer Scheune eine Besonderheit. Trotz des wilden Blickes ist eine Zuordnung nicht eindeutig. Sie laufen ein Stückchen zurück und biegen rechts in die Obere Sackgasse ein und gehen zum letzten Haus Nr. 17 der Entdeckungstour. Sie sehen einen klassischen Neidkopf "Gorgonenkopf" (um 1700) mit heraushängender Zunge und quellenden Augen. Die Schlangenhaare sind nur angedeutet. Auf der anderen Seite des Hauses finden Sie das Pendant zum klassischen Neidkopf, das Mensch-Löwen-Mischwesen. Hier ist das Fehlen des "Beißrings" (magischer Ring) gut erkennbar.

Weitere Infos & Links

Touristinformation Waiblingen

Scheuerngasse 4, 71332 Waiblingen

Tel. 07151/5001-8321, Fax 07151/5001-8324

E-Mail: touristinfo@waiblingen.de, www.waiblingen.de

Öffnungszeiten: Montag bis Freitag 9 - 18 Uhr, Samstag 9 - 14 Uhr

Die Mitarbeiterinnen der Touristinformation Waiblingen informieren Sie über die Möglichkeiten in der Stauferstadt.

Auch bei der Suche nach geeigneter Literatur oder Flyern ist Ihnen die Touristinformation gerne behilflich.

Sie können sich in der Touristinformation Waiblingen auch für verschiedene Stadtführungen anmelden. Bitte wenden Sie sich hierfür an die Mitarbeiterinnen, die Sie gerne beraten.

Startpunkt der Tour

Zwerchgasse 6 Waiblingen können Sie von allen Seiten und mit allen Verkehrsmitteln gut erreichen.

Mit dem Auto: ab Stuttgart über die B14 in Richtung Waiblingen, Ausfahrt Waiblingen-Süd, Richtung Waiblingen-Mitte.

Endpunkt der Tour

Obere Sackgasse 17

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