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Blind in Bus & Bahn: Das müssen Mitreisende wissen.

Pflastersteine mit Rillen und Noppen hat wohl jeder schon einmal an öffentlichen Haltestellen gesehen. Doch nicht alle kennen ihre Funktion: Sie weisen Sehbehinderten den Weg. Reicht das aus, damit sich blinde Menschen allein im öffentlichen Nahverkehr zurechtfinden?

Sehbehinderter Mann begleitet von einer jungen und einer älteren Dame, alle tragen FFP2-Masken.

Kadir ist von Geburt an blind. Er arbeitet als Masseur und pendelt regelmäßig von Ludwigsburg nach Eppingen zu seiner Arbeitsstelle. Um die Bedeutung der verschiedenen Bodenindikatoren weiß er genau: Pflastersteine mit Rippenstruktur sind vorrangig zum Leiten da, Bodenindikatoren mit Noppen sollen Aufmerksamkeit erregen.

Mann mit Blindenstock und FFP2-Maske betritt eine Bahn.

Kadir ist blind und selbstständig im ÖPNV unterwegs.

Bodenindikatoren weisen Sehbehinderten den Weg

Ein genopptes Rechteck am Bahnsteig zeigt Kadir, wo die Türen aufgehen. Im Normalfall vertraut der 36-Jährige jedoch lieber auf sein Gehör. Ist darauf immer Verlass? Leider nein: „Wenn der Bahnsteig voll oder überfüllt ist, fällt es mir schwer zu hören“, sagt er. „Mehr Bodenlinien wären dann wünschenswert.“

Die gibt es nämlich bisher nicht flächendeckend an Baden-Württembergs Haltestellen. Doch das kann sich sehr bald ändern: Durch das 2021 freigegebene „Bahnhofsmodernisierungsprojekt 2“ stehen dem Land 430 Millionen Euro zur Verfügung. Diese werden in rund 50 Bahnhöfe und deren Modernisierung fließen und auch immer mehr Stationen fit für Blinde machen.

Schneller ans Ziel dank den Mitarbeitern der Bahnhofsmissionen

In der Zwischenzeit vertrauen Sehbehinderte wie Kadir auf die Mitarbeiter der 13 Bahnhofsmissionen in Baden-Württemberg. Sie unterstützen bei Verständigungsschwierigkeiten, begleiten beim Ein-, Aus- oder Umsteigen und reisen in vielen Regionen sogar im Zug mit. „Ich schaffe es auch allein, indem ich mich umhöre und durchwurschtle“, sagt Kadir, „aber mit Hilfe geht es einfach schneller.“

Detailaufnahme von genoppten, glatten und gerillten Pflastersteinen.

Bodenindikatoren am Bahnsteig helfen Sehbehinderten, sich zu orientieren. Bildquelle: Adobe Stock / simonmayer

Dos & Don'ts bei Hilfsangeboten

Doch auch andere Fahrgäste können helfen. Es fängt schon bei einfachen Dingen an: Taschen aus dem Weg räumen, offen fragen „Kommen Sie zurecht?“ oder bei der Sitzplatzsuche behilflich sein. „In einem vollen Zug ist es für mich beispielsweise schwer herauszufinden, wo noch frei ist. Dann freue ich mich, wenn andere Passagiere auf mich zukommen und mir den freien Platz neben sich anbieten.“ Es gibt aber auch No-Gos bei Hilfsangeboten: „Den Blindenstock packen – dann lieber am Arm nehmen und ziehen.“ Und wenn jemand nicht helfen kann oder will? In diesen Fällen ist Kadir ein Fan von offenen Worten: „Ich habe keine Zeit – oder auch – ich möchte nicht helfen. Alles besser, als einfach weglaufen!“ Es mag also vielleicht ein wenig länger dauern und ab und an beschwerlich sein, doch Kadir versichert:

Nachteilsausgleiche in Bus & Bahn für die Merkzeichen „B“ und „BI“

  • Bus und Bahn sind für viele blinde und sehbehinderte Menschen das wichtigste Verkehrsmittel.
  • Menschen mit Merkzeichen „B" im Schwerbehindertenausweis haben Anspruch auf die unentgeltliche Beförderung einer Begleitperson („B“ steht für Begleitperson).
    Das Alter der Begleitperson ist dabei zweitrangig. Wichtig ist, dass die Person in der Lage ist, zu helfen – auch ein achtjähriges, sehendes Kind kann beispielsweise den richtigen Weg weisen.
  • Bei Menschen mit Merkzeichen „BI" („BI“ steht für Blindheit“) wird im nationalen Nah- und Fernverkehr neben der Begleitperson auch ein Führhund unentgeltlich befördert.

Magazin-Artikel veröffentlicht am 16.11.2021

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