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„Den Schwarzen Freitag habe ich noch nicht vergessen.“

Michael Hurst ist Triebfahrzeugführer. Er arbeitet im Netz 12 der Südwestdeutschen Landesverkehrs-AG (SWEG). Zusammen mit seinen 35 Kollegen fährt er die Strecken Aalen – Ulm und Ulm – Munderkingen. Die Corona-Krise hat auch seinen Arbeitsalltag verändert.

Verschwommener Blick aus dem Zug-Cockpit.

An den 13. März erinnert sich Michael Hurst noch genau. Den „Schwarzen Freitag“, wie er ihn nennt. In einem Zug auf der Strecke Aalen – Ulm in Höhe Königsbronn meldet der Zugbegleiter einen Corona-Verdachtsfall an den Lokführer. Der stoppt den Zug und informiert sofort die Leitstelle in Gammertingen. Von dort aus geht der Alarm direkt an die Bundespolizei. Die rückt an, zusammen mit dem Rettungsdienst. Der Zugbegleiter berichtet, dass ein Fahrgast bei einer Mitreisenden gesundheitliche Beschwerden bemerkt hat. Die Frau war mit Personen in Kontakt gekommen, die Skiurlaub in Ischgl gemacht hatten. Der Ort ist eines der Risikogebiete für Infektionen mit dem Corona-Virus.

Michael Hurst, SWEG

Ein Zug wird evakuiert

Alle Fahrgäste müssen auf Anweisung der Bundespolizei den Zug verlassen. Der Rettungsdienst transportiert die Frau ins Krankenhaus zur weiteren Untersuchung. Die Reisenden steigen nach und nach in fahrplanmäßig folgende Züge ein. Mehr als zwei Stunden haben sie auf ihre Weiterfahrt gewartet. Der Triebfahrzeugführer steuert den Zug in Richtung Heidenheim. Dort wird er komplett desinfiziert.

Das Zugpersonal hat die Behörden und Rettungskräfte bei ihrem Einsatz unterstützt. Wegen ihrer Nähe zu dem möglicherweise infizierten Fahrgast werden sie aus dem Dienst genommen. Als das Testergebnis der Frau vorliegt, sind sie erleichtert: Es ist negativ.

Michael Hurst war an diesem 13. März in der SWEG-Dienstelle in Heidenheim und von dort aus in das Geschehen eingebunden. Als Teamleiter ist er Vorgesetzter von 35 Triebfahrzeugführern und acht Zugbegleitern. „Das war bislang der einzige Verdachtsfall einer Corona-Infektion im Netz 12. Und glücklicherweise hat er sich nicht bestätigt“, sagt er erleichtert.

Seelsorger für die Team-Kollegen

Dennoch: Ein gewisses Unwohlsein hat sich unter den Mitarbeitern breit gemacht. „Auch bei mir“, räumt Michael Hurst ein. „Schließlich haben viele von uns Kinder oder ältere Familienangehörige zu Hause.“ Als Teamleiter hat er ein offenes Ohr für die Sorgen seiner Kollegen, versucht, zu beruhigen. Und gibt Rat, wenn er danach gefragt wird. „Gesunder Menschenverstand hilft, die derzeitige Anspannung so gut wie möglich zu lösen.“

Ohne Triebfahrzeugführer können die Züge nicht fahren. Das Team von Michael Hurst muss sich deshalb mit allen Mitteln vor einer möglichen Infektion mit dem Corona-Virus schützen. Auch er selbst. Denn neben seinen Aufgaben als Vorgesetzter springt er bei Bedarf immer wieder im Schichtdienst als Lokführer ein.

Nach Dienstschluss

Michael Hurst informiert sich jeden Tag über die aktuelle Zahl der neu mit dem Corona-Virus infizierten Menschen im Land. Und hofft, dass die Kurve bald flacher wird. „Meine 79-jährige Tante meint ja, dass sich die Natur jetzt dagegen wehrt, wie wir mit ihr umgehen“, erzählt er nachdenklich.

Magazin-Artikel veröffentlicht am 26.03.2020