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Auch Grauschnäpper brauchen Schutz.

Sascha Arnold ist Diplom-Ingenieur mit Fachrichtung Landespflege. Er pendelt täglich von seinem Wohnort Neuffen zu seinen Baustellen nach Esslingen. Denn um die neuen Wohnräume für europaweit geschützte Tierarten kann er sich im Home-Office nicht kümmern.

Teil eines Apfelstrauchs mit roten Äpfeln. Im Hintergrund scheint die Sonne durch die Sträucher.

Der Landschaftsplaner, der im Grünflächenamt der Stadt Esslingen arbeitet, ist Umweltschützer durch und durch. „Ich bin Klimaschutzfan und deshalb ein überzeugter Zugpendler“, sagt er von sich. Und davon kann ihn auch das Corona-Virus nicht abhalten. Obwohl seine Frau besorgt ist wegen einer möglichen Ansteckung. Er könne doch das Familienauto nehmen, meint sie. Aber das ist auch jetzt keine Option für Sascha Arnold. Zum einen fühlt er sich nach wie vor sicher in der Bahn. Zum anderen ist er mit dem Auto auch nicht schneller. Und spätestens in Esslingen würde er dann vor einem Parkplatzproblem stehen.

Gesicht eines Mannes mit schwarzer Maske, grauer Wollmütze und grauem Schal.

Dank Gleitzeit kein Problem

„Normalerweise nehme ich morgens die Tälesbahn um 7:12 Uhr von Neuffen nach Nürtingen“, erzählt Sascha Arnold.  „Die ist immer pickepacke-voll mit Schülern und Berufstätigen. Da bekomme ich meistens nur einen Stehplatz. Als dann die Schulen wegen der Pandemie schlossen, fand ich den vielen Platz im Zug richtig angenehm. Tag für Tag wurden es weniger Fahrgäste, zum Schluss nur noch zwei, drei im Wagon. Abstand ist jetzt kein Problem“ sagt Sascha Arnold entspannt. Auch nicht in der Regionalbahn, die er bis nach Esslingen nimmt. Allerdings würde er seit der Fahrplanumstellung eine halbe Stunde länger brauchen und fährt deshalb jetzt erst um 7:44 Uhr von Zuhause los. Dann schafft er es bis halb neun ins Büro – dank Gleitzeitregelung kein Problem.

Überzeugter Maskenträger

Den vielen Gerüchten, etwa darüber, dass Vitamin C das Virus töten könne, schenkt er als Naturwissenschaftler keinen Glauben. Stattdessen hält er sich an die offiziellen Hygieneregeln. Nichts anfassen, Abstand halten, bei Bedarf in die Armbeuge niesen. Außerdem trägt er inzwischen wie immer mehr Fahrgäste auch eine Maske. Selbstgenäht. Er findet das gut: „Weil das einfach zu einem aufmerksameren Verhalten untereinander beiträgt.“ Und ihn davon abhält, dass er sich automatisch ins Gesicht fasst.

Hoffentlich keine Quarantäne

Außerdem Händewaschen. Das macht er gleich, wenn er an seinem Arbeitsplatz im Esslinger Rathaus angekommen ist. Dort sind überall Behälter mit Desinfektionsmittel aufgestellt. Damit halten die Reinigungskräfte jetzt auch Kontaktflächen wie Türklinken und Tischplatten sauber. Sascha Arnold und seine Kollegin lüften das Büro regelmäßig durch. Ihre Schreibtische haben fünf Meter Abstand. 

„Sorgen machen sich alle“, beschreibt der Ingenieur die Stimmung im Amt. Die Tochter einer Kollegin kam vor kurzem aus Kolumbien zurück. „Da haben wir alle mitgebangt“, sagt Sascha Arnold. Manchmal überlegt er, wie es wäre, wenn jemand im Amt positiv getestet würde. Dann würde er in Quarantäne müssen. Wie sollte er dann seine Arbeit machen?

Arbeitsplatz Streuobstwiese

Als Mitarbeiter der Abteilung Planung und Bau hat er aktuell die Bauleitung für ökologische Ausgleichsmaßnahmen. Die müssen zwingend her, um in Esslingen ein neues Baugebiet ausweisen zu können. Denn die dafür vorgesehene Fläche ist bislang noch von Grauschnäppern, Staren, Zaun-Eidechsen und Fledermäusen besiedelt. Die sind bedroht und deshalb von der Europäischen Union unter Schutz gestellt. Also muss die Stadt auf ihrer Gemarkung die bisherigen Lebensräume der Tiere durch neue ersetzen. Sascha Arnold koordiniert dafür die Landschafts- und Gartenbauer. Auf 13 Flächen im gesamten Stadtgebiet bringen sie derzeit Streuobstwiesen wieder auf Vordermann oder legen neue an, hängen Nistkästen auf und bauen Trockenmauern. Draußen in der Natur ist das Arbeiten ohne Infektionsrisiko problemlos möglich.

Rathaus im Lockdown

Noch hat Sascha Arnold Präsenzpflicht. Auf manche Aktenordner hat er nur im Amt Zugriff. Außerdem muss er die Rechnungsprüfung und Zahlungsanweisungen für die beauftragten Unternehmen sicherstellen. „Jeden Tag muss ich nicht auf den Baustellen vor Ort sein“, räumt Sascha Arnold ein. Vielleicht wird er bald auch ab und zu von Zuhause aus arbeiten. So wie immer mehr der Beschäftigten im Rathaus, für die die IT-Abteilung Tele-Arbeitsplätze eingerichtet hat.

Alles in allem ist es spürbar ruhiger geworden im Rathaus. Vor allem, seit es für den Publikumsverkehr geschlossen ist. Aber auch, weil kaum noch Besprechungen stattfinden. Und der Gemeinderat nur aus den allerwichtigsten Anlässen tagt. „Projekte, die wir normalerweise jetzt im Grünflächenamt zur Entscheidung vorbereitet hätten, sind deshalb erst mal auf Eis“, berichtet Sascha Arnold.

Hoffnung auf Normalität

Morgen wird er wieder in die Tälesbahn steigen. Inzwischen vermisst er schon ein wenig die Unterhaltung mit den Menschen, die immer um dieselbe Zeit wie er zur Arbeit pendeln. Und wünscht sich, dass es Testkapazitäten gäbe, um die Bevölkerung aktiv auf Antikörper zu untersuchen. Wer immun gegen Corona ist, könnte dann problemlos wieder an seinen Arbeitsplatz zurückkehren. Das würde helfen, die Starre zu lösen und das System wieder hochzufahren. „Das wäre super und ein positives Zeichen“, denkt Sascha Arnold.

Magazin-Artikel veröffentlicht am 15.04.2020