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Stadtrundgang

Frauenwege durch Calw

Frauen wie die Hofapothekerin Maria Andreä, die Dichtergefährtin und Biografin Emilie Uhland, die erfolgreiche Schriftstellerin Agnes Sapper, die Missionarin Julie Gundert oder die Gemeinderätin Else Conz haben ihren eigenen Platz in der Geschichte der Stadt Calw. Der Rundgang führt zu Wohn- oder Arbeitsstätten der bisher vergessenen oder wenig beachteten Frauen. Erzählt wird auch von Frauen, die auf eher „typischen“ Lebenswegen besondere Stärke und Mut bewiesen haben.

Marktplatz 6 - Marie Hesse (1842-1902) - Missionarin, Lehrerin, Autorin

Geboren in Indien kommt Marie zusammen mit ihren Eltern nach Calw. Ihr Vater Hermann Gundert beginnt im Jahr 1860 seine Tätigkeit beim Calwer Verlagsverein, der evangelisch-pietistisch geprägte Missionsliteratur herausgibt. maries erste Ehe mit einem Missionar führt sie für ein paar Jahre nach Indien zurück. Nach dem Tod ihres Mannes wieder in Calw, wird sie 1871 gegen Widerstände Lehrerin für Englisch an der Realschule in Calw und unterrichtet damit als erste Frau in Württemberg an einer öffentlichen höheren Schule. 1874 bezieht sie mit ihrem zweiten Mann Johannes Hesse die Wohnung am Marktplatz, wo als eines ihrer insgesamt neun Kindern ihr Sohn Hermann Hesse geboren wird. Als Autorin zahlreicher Beiträge in Missionszeitschriften und von Büchern unterstützt sie intensiv die Arbeit des Calwer Verlagsvereins.

 

Rathaus, Marktplatz 9 - Else Conz (1875-1969) - Erste Gemeinderätin

1919 tritt das Frauenwahlrecht in Deutschland in Kraft - Frauen dürfen zum ersten Mal wählen und gewählt werden. Die sechsfache Mutter Else Conz lässt sich as eine von fünf Frauen zur Gemeinderatswahl in Calw im Mai 1919 aufstellen und wird mit der vierthöchsten Stimmenzahl aller Kandidaten als erste Frau in den Gemeinderat gewählt. Auch bei den folgenden Gemeinderatswahlen 1925 und 1931 bleibt sie die einzige weibliche Vertreterin in diesem Gremium.
Die Bestimmungen der Nationalsozialisten führen 1933 zum generellen Ausschluss von Frauen aus dem Gemeinderat und Else Conz wird gezwungen, ihre öffentliche kommunalpolitische Arbeit aufzugeben. Es dauert dann bis zum Jahre 1968, bis die zweite Frau in den Gemeinderat einzieht: Berta Soulier als Kandidatin der SPD.

 

Ehem. Oberamt, Marktplatz 21 - Magdalena Sibylla Rieger (1707 - 1892) - Dichterin

Magdalena Sibylla Rieger erhält für ein Mädchen ihrer Zeit eine ungewöhnlich gute Ausbildung durch ihren Vater. 16-jährig wird sie mit dem Calwer Stadtvogt Emmanuel Rieger verheiratet und lebt einige Jahre hier. Mit ihren Schriften und Gedichten steht sie in evangelischer, vor allem pietistischer Tradition. Als einzige Frau Württembergs wird sie von der Göttinger Universität zur lorbeergekrönten Poetin ernannt. Die Preisrichter heben hervor, dass sie männliches Ingenium und weibliche Tugenden besitze.
Sie antwortet darauf selbstbewusst als Frau: "Ihr Männer packet ein, was ist doch eure Kunst. Wär unsre Arbeit nicht, die eur wär umsunst." Auch in der aktuellen Ausgabe des württembergischen evangelischen Kirchengesagsbuchs findet sich ein Bußlied der Dichterin.

Marktplatz - Erna Brehm (1924-1951) - NS-Opfer

 
Allein der Vorwurf, ein intimes Verhältnis mit einem Polen zu haben, genügt, dass die 17-jährige Erna Brehm im Jahr 1941 von den örtlichen Nazi-Behörden öffentlich vorgeführt und ihr auf dem Marktplatz von Calw der Kopf kahlgeschoren wird. Der nach den Gesetzen der Nazis generell verbotene Umgang mit "feindlichen" Ausländern, in intimen Fällen "Rassenschande" genannt, bringt Erna Brehm ins Frauengefängnis Stuttgart und danach ins Frauenkonzentrationslager Ravensbrück, aus dem sie gebrochen und krank 1944 zurückkehrt. Sie erliegt mit 27 Jahren den Folgen der Haft.

Dekanat, Altburger Straße - Maria Andreä (1550-1632) - Hofapothekerin

Ihre letzten zehn Lebensjahre verbringt die gebildete Heilkundige Maria Andreä bei ihrem Sohn, dem Dekan Johann Valentin Andreä, in Calw. Sie engagiert sich hier im selben Maße für soziale Angelegenheiten wie schon in den Jahren zuvor, als sie als Hofapothekerin einer fürstlichen Wohlfahrtseinrichtung für bedürftige Kranke in Stuttgart vorsteht. Ihr Wissen in der Krankenpflege, in der Arznei- und Kräuterkunde wird sehr geachtet. In Calw wird sie als "Mutter der Stadt" und "Mutter der Armen" über ihren Tod hinaus verehrt.

 

Georgenäum, Im Zwinger 3 - Sophie Emilie Georgii (1826-1892) - Stifterin

Sophie Emilie Georgii wird 1870 zusammen mit ihrem Ehemann Stifterin einer Bildungsstätte, dem später nach ihnen benannten "Georgenäum". Das gebäude erhält eine größere öffentliche Bibliothek mit einem Anfangsbestand von 730 Büchern und täglich langen Öffnungszeiten. Sie steht generell allen Calwer Bürgern offen, aber vor allem die Jugend soll hier Möglichkeiten zur Bildung bekommen. Vorträge zu wirtschaftlichen und wissenschaftlichen Themen werden im Saal im oberen Stockwerk angeboten, ausdrücklich werden auch Mädchen ab 14 Jahren zum Besuch dieser Veranstaltungen aufgefordert. Bis heute dient das Georgenäm als Bildungs- und Kulturstätte.

 

Ehem. Gasthaus, Salzgasse 11 - Agnes Sapper (1852-1929) - Kinder- und Jugendbuchautorin

Mit ihrer Familie kommt Agnes Sapper im Jahre 1892 nach Calw. Im ersten Stockwerk des Gasthauses "Zur Kanne" in der Salzgasse bezieht sie eine Wohnung. Erste Erfolge als Kinder- und Jugendbuchautorin hat sie bereits vorzuweisen, in Calw entsteht dann unter anderem "Gretchen Reinwalds erstes Schuljahr". Nach dem Tod ihres Mannes 1898 zieht sie nach Würzburg und setzt ihre schriftstellerische Tätigkeit äußerst erfolgreich fort: ihre Bücher erreichen Auflagen von über drei Millionen Exemplaren und werden in sieben Sprachen übersetzt. Ihr Bekanntestes Werk "Die Familie Pfäffling" ist im jahr 2002 neu aufgelegt worden.

 

Ehem. Verlagsgebäude, Bischofstraße 4 - Julie Gundert (1809-1885) - Missionsfrau


26-jährig macht sich Julie Dubois aus dem Schweizer Jura mit einer Gruppe um einen Freimissionar auf den Weg nach Indien, um ihren Traum zu verwirklichen - sie möchte Lehrerin im Dienste der Missionen werden. Auf dem Schiff lernt sie ihren Mann Hermann Gundert kennen, mit dem sie in Indien in den folgenden Jahrzehnten mehrere Missionsstationen aufbaut. Sie leitet stets die angeschlossenenen Mädchenschulen und engagiert sich für verwitwete, unverheiratete und verlassene Inderinnen. Nur schweren Herzens verlässt sie Indien und folgt ihrem Mann nach Calw, der 1862 die Leitung des Calwer Verlagsvereins übernimmt. Ihr Leben hier gilt den pietistischen "Stunden" und der Krankenpflege. "Asketisch streng, von leidenschaftlicher Nüchternheit, aufrecht und gerade" kennzeichnet sie ihr Enkel Hermann Hesse.

 

Palais Vischer, Bischofstraße 48 - Emilie Uhland (1799-1881) - Gefährtin und Biografin

Emilie Uhland entstammt der reichen Calwer Familie Vischer. 1814 lernt sie in Stuttgart den Advokaten Ludwig Uhland kennen und heiratet ihn 1820. Sie ermöglicht ihrem Mann eine finanziell unabhängige schriftstellerische und politische Arbeit. Sie hat Anteil an seinem Werk, begleitet ihn auf Reisen, unterstützt ihn bei seiner politischen und wissenschaftlichen Tätigkeit, kurzum sie ist ihm eine wichtige Gefährtin. Ungewöhnlich für eine Witwe, zumal im 19. Jahrhundert, wird sie nach dem Tod Ludwig Uhlands 1862 seine erste Biografin. Sie kümmert sich zudem intensiv um den Nachlass und verhandelt mit dem Cotta-Verlag über Neuauflagen und Publikationen der Werke Uhlands.

 

Autorentipp

Frauenwege durch Calw

Die Öffentliche Führung am Weltfrauentag 08.03 um 16:00 Uhr Treffpunkt am Rathaus Marktplatz ist kostenlos !!

Frauenwege-Sonderführungen für Gruppen sind auf Anfrage ganzjährig jederzeit buchbar. touristinfo@calw.de

Weitere Infos & Links

Die Projektgruppe "Freuengeschichten in Calw" hat sich zur Aufgabe gemacht, nach Leben und Leistungen von Frauen in der Calwer Geschichte und Gegenwart zu suchen und diese zu dokumentieren.

Vergessene Biografien werden recherchiert und Zeitzeuginnen befragt, um deren Wissen festzuhalten. Ergebnisse der Arbeit sind u.a. die Publikation „Frauenwege durch Calw“ (ISBN-Nr. 3-9806875-4-6), auf dessen Grundlage Führungen auf Frauenspuren durch die Innenstadt angeboten werden, und insgesamt acht Hinweistafeln an Gebäuden zur Würdigung von Frauen.

Die Projektgruppe möchte mit wechselnden Veranstaltungen und Aktionen erreichen, dass Frauengeschichte im öffentlichen Bewusstsein fest verankert wird.

www.calw.de/Frauenwege

Startpunkt der Tour

Marktplatz Calw Anreise mit dem Auto:
  • Autobahn A8 von Karlsruhe:
    Ausfahrt Pforzheim-West (ca. 25 km); Weiterfahrt über die Bundesstraße 463 Richtung Calw
  • Autobahn A8 von Ulm/Stuttgart:
    Ausfahrt Leonberg (ca. 30 km), Weiterfahrt über die Bundesstraße 295 in Richtung Weil der Stadt nach Calw
  • Autobahn A81 von Süden/ Bodensee:
    Ausfahrt Gärtringen-Stadtmitte (ca. 20 km), Weiterfahrt über die K 1075; in der Nähe von Deckenpfronn links auf die K 1022. Am Kreisel die erste Ausfahrt nehmen und auf der B 296 weiter Richtung Calw fahren.
  • Planen Sie Ihre Anreise mit dem Auto bei www.map24.de

Endpunkt der Tour

Palais Vischer Calw

Highlights entlang der Route

  • Escape Room

    Annis Schwarzwald Geheimnis in Calw

    Bei Annis Schwarzwald-Geheimnis begleitet ihr Anni durch eine spannende Geschichte, die vor langer Zeit gespielt hat. Dabei kommt ihr auf einer kleinen Wanderung immer wieder an Orten vorbei, an denen ihr ein Rätsel lösen müsst.

  • Wanderweg

    Wildes Tal und aussichtsreiche Höhe

    Diese Rundwanderung führt den Wanderer von Calw aus ins klösterliche Hirsau und durch das urwüchsige und wildromantische Schweinbachtal nach Altburg. Über Alzenberg führt die Wanderung zurück nach Calw.

     

  • Stadtrundgang

    Auf den Spuren Hermann Hesses durch Calw

    Hermann Hesse ist einer der meistgelesenen Autoren der deutschen Sprache. In seiner Heimatstadt Calw im Schwarzwald erinnern viele Gebäude an den Nobelpreisträger und seine Erzählungen. Der Stadtrundgang zeigt Stätten seines Lebens und Orte, die er in seinen Erzählungen so unnachahmlich beschrieben hat.
  • Wanderweg

    Auf Hermann Hesses Spuren rund um Calw

    "Oh, ihr Wanderburschen, ihr fröhlichen Leichtfüße, jedem von euch sehe ich wie einem König nach, mit Hochachtung, Bewunderung und Neid. Jeder von euch hat eine unsichtbare Krone auf, jeder von euch ist ein Glücklicher und Eroberer. Auch ich bin euresgleichen gewesen, und weiß, wie Wanderschaft und Fremde schmeckt. Sie schmeckt, trotz Heimweh, gar süß. ( ... ) Noch einmal jung, unwissend, ungebunden, frech und neugierig in die Welt hineinzulaufen, hungrige Kirschenmahlzeiten am Straßenrande zu halten und bei den Kreuzwegen das 'rechts oder links' an den Rockknöpfen abzuzählen! Noch einmal kurze, laue, duftende Sommernächte unterwegs im Heu verschlafen, noch einmal eine Wanderzeit in harmloser Eintracht mit den Vögeln des Waldes, mit den Eidechsen und Käfern leben. Das wäre wohl einen Sommer und ein paar neue Stiefelsohlen wert".

    ( Aus: Hermann Hesse: Lindenblüte (1906), in: Sämtliche Werke, Band 13: Betrachtungen und Berichte 1899-1926, Suhrkamp Verlag 2003, S. 149 f. )

    Hermann Hesse war selbst ein begeisterter Wanderer, wie schon das an den Anfang gestellte Zitat zeigt. Bereits in seiner Jugend hat Hesse in seiner schwäbischen Heimat, im Nordschwarzwald, im Gäu und auf der Schwäbischen Alb "Fußreisen" unternommen. Später hat sich der Radius, den er sich zu Fuß erschlossen hat, auf die Bodenseegegend, den Schweizer Jura, das Berner Oberland, das Tessin, das Oberengadin und auf Oberitalien erweitert. Viele Reise- und Wanderskizzen in seinem Werk, so zum Beispiel in dem Bändchen "Wanderung", legen davon Zeugnis ab. Auch sind mehrere seiner Romanfiguren Wanderer: so zum Beispiel Peter Camenzind, Knulp, Goldmund oder Klingsor. Von daher liegt es nahe, sich als Wanderer auf Hermann Hesses Spuren zu begeben.

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