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Kapelle, Kirchzarten

Gichterhofkapelle

Die "Gichterkapelle" oder "Kindleskapelle" beim Reesenhof in Zarten, Bundesstr.1.

Das erste Gebäude auf der linken Seite beim Ortseingang von Zarten ist eine gut renovierte Hofkapelle, die aber mehr Wallfahrtskapelle in der Vergangenheit war. Von den Dreisamtälern wird sie "Gichterkapelle" oder "Kindleskapelle" genannt. Über der Eingangstür des Kappellchens, das nie einen Dachreiter mit Glöckchen besaß, nach außen schmucklos ist , fast quatratisch und nur 2 x 1,90 mtr. misst und damit eine der kleinsten Kapellen darstellt, ist eine Jahreszahl 1731 eingraviert.

Eine alte Überlieferung berichtet, ein von einer Hochzeit heimkehrendes Liebespärchen habe sich ermüdet auf den Rand eines Pumpbrunnens gesetzt, der sich einst an dieser Stelle befand. Einer der beiden Liebenden sei in den Brunnenschacht hinuntergestürzt und habe in seiner Todesnot den anderen mit sich gerissen. Tatsächlich weist das von bäuerlicher Hand geschnitzte Kruzifix 2 Querbalken auf, welche an zwei Ertrunkene erinnern wollen.

Dieses barocke Holzkreuz, von einem bäuerlichen Künstler geschnitzt, ist die Zierde der barocken Ausstattung, wozu auch die Altarmensa mit dem Antependium eines Ölbildes der hl. Familie von Nazareth mit der Aufschrift gehört: "EUCH DREWEN ICH MICH BEFEHL". Auf gut deutsch: ,,Euch drei heiligen Personen, Jesus, Maria und Josef empfehle ich mich an." Über dem Jesuskind lesen wir die Beschriftung: "Die drey sind eins." -Das eigentliche Altarbild, 125 cm im Quadrat und stichbogig abgerundet, ist ein Ölgemälde mit der schmerzhaften Gottesmutter, die den toten Sohn auf dem Schoße hat und als Begleiterinnen Maria Magdalena und Veronika mit dem Schweißtuch Jesu.

Wie kam es zum Namen dieser Kapelle? Ja, die jungen Mütter eilten mit ihren "krampfenden" Kindern, oft auch ohne das Kind, wenn etwa beim Erscheinen der ersten Zähnchen oder beim Keuchhusten sich das "Gichtern" einstellte, zu dieser Kapelle und nahmen die Zuflucht zur hl. Familie. Wurden die Kinder geheilt -vielleicht trug auch die Luftveränderung ihren Teil dazu bei - so kamen die Mütter zurück und stifteten das Erstlingshemdchen oder Jäckchen des Kindes und hingen es in der kleinen Kapelle auf. Noch bis in die zweite Hälfte unseres 20. Jahrhunderts konnte man diese sonderbaren Votivgaben als Zeichen der Dankbarkeit darin erblicken. Wahrhaftig! Bis 1950 etwa hingen noch beide Wände voll. Ums Jahr 1980 habe zum letzten Mal ein Kinderhemdchen als Dankbarkeitszeichen und Votivgabe darin gehangen, erzählt Frau Josefine Andris vom Reesenhof und auch dies, dass in früheren Jahren von Zeit zu Zeit eine Räumung stattgefunden habe, indem man Kleidchen, Hemdchen usw. den Armen verschenkte, vor allem auch dem fahrenden Volk. Frau Anneliese Heizler half in ihrer Kindheit und Jugend öfters auf dem Reesenhof, der Heimat ihres Vaters, mit. Sie erzählt, dass das Kapellchen auf Christi Himmelfahrt, dem "Zartener Herrgottstag," regelmäßig auf Hochglanz gebracht wurde und alle Jäckchen, Hemdchen und Nabelbinden frisch gewaschen und im Innern an den Seitenwänden wieder aufgehängt wurden. Die medizinische Terminologie für den volkstümlichen Ausdruck "Gichtern" ist Eklampsia iufantium. Das ist ein Sammelname für alle mit Bewußtlosigkeit einher gehenden Krämpfe der Kinder, die auf dem Boden einer Spasmophilie, d.h. einer Krampfbereitschaft oder sonstigen Convulsibilität entstehen und durch verschiedenste Ursachen ausgelöst werden.

Wie verheerend die "Gichtern" früher im Dreisamtal unter den Kindern aufgeräumt haben, bekundet ein Blick in das Sterbebuch der Pfarrgemeinde Kirchzarten für die Jahre 1785 und 1786. Weil just vor 200 Jahren, ab 1785 bei den Sterbeeinträgen auch die Todesursache veröffentlicht wird, habe ich die Einträge für die Jahre 1785 und 1786 untersucht. Die damaligen zur Pfarrei Kirchzarten gehörenden Gemeinden und Weiler wurden getrennt eingetragen: ,,Kirchzarten, Birkenreuthe, Zarten, Geroldsthal, Attenthal, Dietenbach, Rainhof samt der Mühl, Stegen, Birken und Nadlen, Rechtenbach, Neuhäuser, Oberried, St. Wilhelm, Weilersbach, Zastler, Buchenbach, Wagensteig, Falkensteig, Wiesneck, Ibenthal, Wittental, Eschbach."

Es ist kaum zu glauben: In diesen 2 Jahren wurden von der Kirchzartner Geistlichkeit 57 Kinder zu Grabe geleitet, bei denen als Todesursache "Gichtern" angegeben ist. Wie müssen die Mütter vor dieser Krankheit gezittert haben! Bildete da nicht die Zuflucht zur hl. Familie in dieser "Kindleskapelle" die letzte Hoffnung?

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