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Lehrer Björn Widmann beobachtet: „Die Fahrgäste gehen rücksichtsvoller miteinander um“.

Früher traf Björn Widmann hin und wieder einen seiner Schüler auf dem Weg zur Bahn. Der Lockdown war das Aus für diese kleinen Begegnungen zwischen Böblingen und Stuttgart-Ost. Trotzdem gelang es ihm, neben dem Stoff-Vermitteln auch menschlich in Verbindung zu bleiben.

Hand, die auf eine Tafel

© Warchi/iStock

Björn Widmann ist Lehrer für Wirtschaftsfächer und evangelische Religion an der Johann-Friedrich-von-Cotta-Schule in Stuttgart. Hier dreht sich alles um kaufmännische und wirtschaftliche Ausbildung, von der Berufsschule bis zum Wirtschaftsgymnasium. Der 47-jährige nutzte den ÖPNV schon, als er selbst noch in Stuttgart wohnte. Seit er nach Böblingen gezogen ist, braucht er 50 Minuten von Haustür zu Klassenzimmer. Dennoch blieb er dem ÖPNV treu. Die S1 bringt ihn bis Stadtmitte, dort steigt er in die U4/U9 um und fährt bis Haltestelle Raitelsberg.

Gesicht eines Mannes mit schwarzer Maske der im Zug sitzt.

Lieber mit der Bahn

Auf die Frage, warum er die Bahn dem Auto vorzieht, zählt er auf: „Es ist bequemer, angenehmer und schont die Nerven. Stau ist viel anstrengender. In der Bahn kann ich Musik hören, lesen, oder einfach mal die Gedanken schweifen lassen. Außerdem sieht man mehr Leute.“ Er freute sich über manch spontanen Plausch, der sich ergab, beispielsweise mit dem Trottwar-Verkäufer beim Umsteigen oder mit einem der Schüler, wenn man sich auf dem Weg zur Bahn traf. „Da konnte man dann mal ungestört einen Smalltalk halten, das war immer ganz nett.“ Björn Widmann, der auch Beratungslehrer an der Schule ist, schätzt diese soziale Komponente, die nun durch Corona leidet.

Maske, Abstand und Respekt

Mit Maske und Abstand schwindet die Lust zu reden. Doch dass die Maßnahmen notwendig sind, um die Ansteckungsgefahr einzudämmen, sieht auch Björn Widmann so. Nach seiner Beobachtung gehen die Menschen in der Bahn aufgrund der Maske automatisch auf Distanz. Auch setzt sich niemand mehr neben einen. Im Gegensatz zu früher findet er dennoch garantiert einen Platz – es ist teilweise noch leerer in den Bahnen. Außerdem fällt ihm auf, dass die Fahrgäste rücksichtsvoller miteinander umgehen. Insofern fühlt er sich weiterhin sicher in den öffentlichen Verkehrsmitteln, selbst wenn die Anzahl derer, die die Bahn nehmen, in den nächsten Tagen steigen wird. „Ich wünsche mir, dass alle sich an die Maskenpflicht halten. Dann hätte ich auch kein Problem, wenn man sich gegenübersitzt“, sagt er.

Not macht erfinderisch

Während des Lockdowns war er nicht an der Schule. Das meiste lief digital, wobei die Umstellung dem Lehrerkollegium viel abverlangte. „Es gab keinerlei Vorlagen, da so etwas bis dahin nie gemacht wurde“, erzählt Björn Widmann. Die Lernplattform Moodle brach unter dem plötzlichen Ansturm aller zusammen. Nach einer Woche voller Frust probierte er es anders und stellte die Unterlagen auf Dropbox ein. Das funktionierte ausgezeichnet und wurde von den Schülern gut angenommen. Auf diese Weise hat er alle seine Klassen versorgt, teilweise sogar mit selbst aufgenommenen Audiodateien. Trotzdem fehlte der soziale Austausch.

Videokonferenzen für den sozialen Austausch

Um auch menschlich in Verbindung zu bleiben, setzte er Videokonferenzen ein. Er nutzte diese Möglichkeit vor allem, um nachzufragen, wie es den Schülern geht, sie bei der Stange zu halten und ihnen ein Forum für den Austausch untereinander zu bieten. Lediglich in den Abschlussklassen ging es darüber hinaus um fachliche Themen.

Der Bedarf war deutlich erkennbar, der Nutzen auch. Die Schüler haben gut mitgezogen. Insbesondere die Abschlussklassen haben sich diszipliniert vorbereitet. Sie durften als erste wieder zur Schule, sind hoch motiviert und haben ihr Ziel klar vor Augen: In Kürze stehen die Prüfungen an und die wollen sie unbedingt schreiben.

Magazin-Artikel veröffentlicht am 26.05.2020