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Dialekte in Baden-Württemberg – Wer sagt was im Zugabteil?

Wer mit der Bahn von Heilbronn nach Konstanz fährt, hört sie: Dialekte in Baden-Württemberg. Doch wer kann seine Mitreisenden heute noch verstehen?

Frau mit Schwarzwald-Tracht und Maske steht vor einem Zug

Dialekte in Baden-Württemberg hat bestimmt jede/r schon einmal gehört, denn: Wer kennt das nicht? Ein/e Mitreisende/r unterhält sich derart laut, dass Weghören quasi unmöglich ist. Aber: Welcher Dialekt wird da eigentlich gesprochen? In Baden-Württemberg unterteilen sich die Dialektfamilien von Nord nach Süd in das Fränkische und das Alemannische, wobei das Schwäbische zu den alemannischen Dialekten gehört. Darunter verbergen sich wiederum zahlreiche Dialektformen.

Warum gibt es Dialekte in Baden-Württemberg und wie sind sie entstanden?

Heutige Dialekte leiten sich aus dem Mittelhochdeutschen – der deutschen Sprache um 1200 n. Chr. – ab. Um zu verstehen, wie die Dialekte entstanden sind, ist ein Blick in die Sprachwissenschaft nötig: Unter der sogenannten 2. Lautverschiebung versteht man die Veränderung von Konsonanten:

  • p wurde zu pf/ff
  • t wurde zu ts/ss
  • k wurde zu ch/kch

Ein Beispiel aus dem Englischen macht die 2. Lautverschiebung deutlich: Das Wort water wurde zu Wasser.

Die 2. Lautverschiebung war für die Ausgliederung der deutschen Sprache aus der germanischen Sprachfamilie ausschlaggebend. Je nach regionaler Teilnahme an dieser 2. Lautverschiebung haben sich die deutschen Dialekte entwickelt. Der Raum um Mannheim-Heidelberg hat die Lautverschiebung von p zu pf nicht durchgeführt. Das Rheinfränkische zählt daher heute zu den mitteldeutschen Dialekten. Alle anderen Gebiete in Baden-Württemberg haben die Lautverschiebung übernommen. Das Alemannische und das Fränkische zählen damit zu den oberdeutschen Dialekten.

Wie viele Dialekte gibt es heute in Baden-Württemberg?

Insgesamt werden heute 15 verschiedene Dialekte in ganz Baden-Württemberg gezählt.

Zu den fränkischen Mundarten gehören:

  • Das Ostfränkische
  • Das Unterostfränkische
  • Das Südfränkische
  • Das Rheinfränkische

Zu den alemannischen Mundarten gehören:

  • Das Schwäbische*
  • Das Oberrhein-Alemannische
  • Das Bodensee-Alemannische
  • Das Hochalemannische

Das Schwäbische* nimmt geografisch gesehen einen sehr großen Raum ein. Deshalb ist es sinnvoll, hier weiter zu unterteilen in:

  • Das Westschwäbische
  • Das Zentralschwäbische
  • Das Nordostschwäbische
  • Das Mittelostschwäbische
  • Das Südschwäbische
  • Das Westallgäuische

Zu den zwei Übergangsgebieten zählen:

  • Das Schwäbisch-Fränkische
  • Das Schwäbisch-Alemannische

Sind Dialekte in Baden-Württemberg vom Aussterben bedroht?

Die Forschung [1] kommt zu dem Ergebnis, dass der Dialekt vor allem im ländlichen Raum – und da vorrangig im familiären und vertrauten Umfeld – noch heute eine große Rolle spielt. Mit Familien, Freunden und Personen, denen man häufig im Alltag begegnet (z. B. dem/der Briefträger/in) wird Dialekt gesprochen. Je weiter sich die Gesprächssituation davon entfernt, je offizieller es wird, desto mehr Standarddeutsch [2] wird gesprochen – so beispielsweise auf einer Behörde.

Porträt des Sprachwissenschaftlers Prof. Dr. Hubert Klausmann

Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Hubert Klausmann / Copyright: Prof. Dr. Hubert Klausmann

Wie aber verhält sich die Anwendung von Dialekt in der Stadt? Hier gibt es durchaus Ballungszentren, in denen kaum oder kein Dialekt gesprochen wird. Und auch eine Zwischenform ist möglich: die regionale Varietät (s. Infokasten). Im Raum Freiburg liegen diese drei Gebiete beispielsweise direkt nebeneinander:

  • Freiburg selbst, die nahezu dialektfreie Großstadt,
  • das regionalsprachliche Breisach
  • und dazwischen die Weindörfer mit traditionellem Dialekt.

Auch in der baden-württembergischen Landesregierung ist das mögliche Aussterben des Dialekts längst Thema. So fand vor wenigen Jahren beispielsweise der  Dialektkongress „Daheim schwätzen die Leut“ statt, um Möglichkeiten auszuloten, den aktiven Dialektgebrauch zu stärken.

Sprachwissenschaftler Prof. Dr. Hubert Klausmann sieht im „Wiedererstarken des Regionalen als Gegenbewegung zur Globalisierung“ eine Chance für die Zukunft des Dialekts.

Infokasten: Die Zwischenstufen gesprochener Sprache

Eine Besonderheit des süddeutschen Sprachraums sind die fünf Zwischenstufen der gesprochenen Sprache, die je nach Ort und Gesprächspartner variieren. Die Grenzen dabei sind fließend, denn das Empfinden und Einordnen von Umgebung und Beziehung zum Gesprächspartner ist subjektiv. Auch existieren nicht für jedes Wort fünf Zwischenstufen.

Das Verb haben jedoch, bildet alle fünf Zwischenstufen ab (die Beispiele stammen aus dem Zentralschwäbischen):

  • Ortsdialekt à I hao
  • Regionalsprache à I han
  • Großräumige Umgangssprache à Ich han
  • Regionale Standardsprache à Ich hab
  • Neutrale Standardsprache à Ich habe

Diese fünf Zwischenstufen des gesprochenen Worts sind im süddeutschen Sprachraum einzigartig. Sie treten in Rheinland-Pfalz, Südhessen, Bayern und Baden-Württemberg auf.

​​​​​​​Dialekt in Bahn und Bus

Und wie empfinden bwegt- Kundinnen und -Kunden den gesprochenen Dialekt im Alltag? Hierzu gab es kürzlich eine Umfrage auf dem bwegt Instagram-Kanal.

Nahaufnahme Smartphone Bildschirm mit Instagram-Umfrage

Instagram-Umfrage zum Thema „Dialekte in Baden-Württemberg“.

Auf die Frage „Was habt ihr schon für lustige Bahnansagen im Dialekt gehört?“ gingen zahlreiche Antworten ein, die zeigen: Dialekt ist in Baden-Württemberg Teil des Alltags, der in zahlreichen Abwandlungen gesprochen und von den meisten auch verstanden wird.

bwegt-Zug mit Umfrage-Ergebnissen zu Dialekten in Baden-Württemberg

Die bwegt-Community kennt sich aus mit Dialekt in Bahn und Bus.

Magazin-Artikel veröffentlicht am 10.08.2021


[1] Vgl. Hubert Klausmann: Kleiner Sprachatlas von Baden-Württemberg. verlag regionalkultur. Heidelberg u.a. 2020.

[2] In der Wissenschaft ist nicht von Hochdeutsch, sondern von Standarddeutsch die Rede.

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